Sie sind De-Eskalations-Profi! Doch müssen Sie auf die Distanz achten!
Menschen sind von Natur aus imstande, zu de-eskalieren, also zu beruhigen. Wir zeigen Verständnis, wir grenzen uns ab, wir bieten Lösungen an.
Wenn Menschen wütend werden, werden sie laut. Das liegt häufig daran, dass sie gehört werden wollen. Erreichen sie sich nicht, drehen sie an der Lautstärke, um Gehör zu finden.
Dieses Phänomen lässt sich auf die Selbstverteidigung übertragen.
Wenn Sie angegangen werden, und der Aggressor Ihnen gegenüber laut ist, will er von Ihnen gehört werden.
„Good guy having a bad day“ – Manche werden gewalttätig, obwohl sie nicht bösartig sind. Diese Menschen haben prägende Erlebnisse und reagieren dann über. Vielleicht sind Sie zur falschen Stelle am falschen Ort. Und auch nicht verantwortlich für den schlechten Tag der Person. Doch dann kocht es über.
De-Eskalation, also die Entschärfung des Konfliktes durch das Beruhigen, ist möglich. Zuhören, Verständnis zeigen, anbieten, Teil der Lösung zu sein. Doch das Wichtigste in der Situation wird manchmal vergessen. Und das könnte das größte Risiko sein.
Distanz ist im Kampf wichtig
Schon eine Fußbreite weiter weg bedeutet beinahe Sicherheit. Ein Schritt des anderen in unsere Richtung ändert möglicherweise alles. Dazu kommt die Umgebung. Hinter Ihnen ist eine Wand? Sie stehen in der Ecke? Sie haben Ihr (kleines) Kind an der Hand?
Bei allem Einsatz, verbal und nonverbal zu beruhigen, dürfen wir das Sicherheitsmanagement nicht vergessen. Stellen Sie sich vor, Sie würden an einem militärischen Kontrollpunkt wachen. Eine Person nähert sich. Sie spricht von Dingen, die nicht bedrohlich, sondern verständlich sind. Von Ängsten, Sorgen, persönlichen Schwierigkeiten. Doch als Soldat achten Sie auf die Distanz. Nähert sich die Person trotz klarer Aufforderung, stehen zu bleiben, muss die nächste Eskalationsstufe eingeläutet werden. Lautes Anrufen. Drohen. Ein Warnschuss.
Sie sind dieser Posten, wenn Sie in der U-Bahn angepöbelt werden. Vergessen Sie, was der andere erzählt. Achten Sie auf Körpersprache und auf Signale der Eskalation und Gewaltbereitschaft. Und: Auf die Distanz.
Und wenn er nicht auf mich hört und weiter auf mich zugeht?
Nähert er sich trotz klarer Aufforderung, das zu unterlassen, müssen Sie eskalieren. Das kann ein Schritt nach hinten sein, verbunden mit einem eindringlichen und lauten Statement:
STOPP! Bleiben Sie da!
Er möchte weiter verhandeln? Gut! Aber bitte mit Abstand. Kommt er trotz klarer Abgrenzung und Aufforderung näher, hält er sich nicht an die Spielregeln und gefährdet Sie.
Natürlich können Sie mehrmals zurückweichen und „STOPP“ rufen. Doch wenn Sie damit keine Wirkung erzielen, müssen Sie die nächste Stufe gehen.
Muss man jetzt Gewalt ausüben?
Das muss nicht Brachialgewalt sein. Es kann ein Hilferuf sein. Sie können einen Gegenstand zwischen sich bringen, wegrennen, kreischen. Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass Ihre Grenze überschritten wurden. Nur nicht stillhalten!
Wenn Sie Gewalt erleben, ist es besser, Sie machen den notwendigen ersten Schlag, bevor Sie Opfer des Angriffs werden. Finger ins Auge, flache Hand auf die Nase, Handkante auf den Kehlkopf. Es muss nicht tödlich sein, aber es handelt sich hier auch nicht um einen Warnschuss. Mehrere „offene Hände“ geschlagen zum Gesicht des Angreifers, mit Druck und Gewicht nach vorne, sind ein probates Mittel, jemanden zu überwältigen. Das Überraschungsmoment ist Ihre Chance. Und dann?
Wie lange müssen wir kämpfen?
Wir kämpfen nicht bis zur Kampfunfähigkeit des Aggressors. Wir kämpfen, bis wir eine Gelegenheit zur Flucht haben. Geben Sie richtig Gas, und achten Sie dabei auf Momente, in denen Sie fliehen können. Am Gegner vorbei, dahin, wo Sie sehen können, so konsequent und schnell, wie möglich. Geraten Sie dabei nicht in Panik. Hilfreich sind positive Gedanken. Ohne Verneinung – ich schaffe das! Oder: Ich komme heil nach Hause! Ich überstehe diese Lage! Was auch immer Ihnen hilft. Nicht: Oh nein, hoffentlich werde ich nicht verletzt; oder: Wie sieht das aus, was ich hier tue? Und so weiter.
Danach: Rufen Sie die Polizei. Machen Sie eine Zeugenaussage, aber erst später. Beschreiben Sie die Person, so gut es geht. Vom Fuß bis Kopf! Was für Schuhe trug er? Flüchtige Täter ziehen sich in der Regel nicht die Schuhe aus. Und dann: Schweigen Sie. Ihre Aufregung könnte Sie zu Aussagen treiben, die sich später schwer relativieren lassen. Sie haben ein Recht darauf, später vernommen zu werden, vor allem auch, ins Krankenhaus gebracht zu werden.
Nützt es, den Aggressor anzuzeigen?
Auch wenn diese Anzeige keine unmittelbare Konsequenz für den Täter haben muss – wenn alle Gewalttaten angezeigt würden, hätte die Polizei und die Justiz andere Möglichkeiten.
Menschen, die ins Visier der Behörden geraten, vorbestraft sind oder sich in Verfahren befinden, ändern vielleicht ihr Verhalten – und lassen Sie in Ruhe.
Wichtig bleibt: Vermeiden Sie Brachialgewalt frühzeitig, indem Sie aufmerksam und konsequent sind. Bleiben Sie gelassen und machen Sie Sicherheit zur Chefsache. Und wehren Sie sich, wenn es erforderlich ist.
Passen Sie gut auf sich auf. Sie sind es wert.